In der Vergangenheit habe ich mich oftmals darüber beschwert, das viele Dinge einfach unfair sind.
Manchmal wurde ich zu Recht in meine Schranken gewiesen – als ich z.B. noch ein Kind war und ein Erwachsener regelmäßig Lügen über mich erzählte, nur um ihre Verachtung und Fehlbehandlung zu rechtfertigen.
Andere Male habe ich mich selbst als das Opfer hingestellt, um keine Verantwortung tragen zu müssen—als ich mich beispielsweise nicht gut vorbereitet hatte und bei einer gemeinschaftlichen Theateraufführung total versagt hatte, woraus ich allerdings lernte.
In meiner ungehaltenen Teenagerzeit habe ich viele meiner schwierigen ersten Erfahrungen oft auf meine leichte Reizbarkeit geschoben. Häufig beklagte ich mich für die Ungerechtigkeiten auf dieser Welt, weil es mir stets so vorkam, als würden sie mich ständig befallen.
Es war nicht meine Schuld, dass ich ständig wütend war; es gab einfach nur sehr viele Dinge, die mich verbittern ließen. Zumindest dachte ich so in der Vergangenheit.
Eines Tages, als ich mit einer Freundin in Mitleid versunken war, weil sie sich über eine scheinbar ungerechte Situation im Leben aufregte, fragte ich mich schließlich: Was bringt uns das?
Sich über die Ungerechtigkeit aufzuregen, macht die Dinge auch nicht besser, und die daraus resultierende Feindseligkeit hilft uns auch nicht dabei, effektiv an diesen Problemzonen arbeiten zu können.
Mit einer negativen Einstellung kann man definitiv keine positiven Veränderungen herbeirufen. Du musst deinen Schmerz heilen, bevor du da raus gehst, um die Welt zu heilen. Und du musst aufhören, dich als das Opfer hinzustellen und musst dir deine eigene Kraft zunutze machen.
Und trotz all der bewussten Bemühungen, Dinge zum Positiven zu ändern, geschieht es hin und wieder dennoch, dass ich auf wahrgenommene Ungerechtigkeit instinktiv zornig reagiere.
Wenn ein Freund befördert wird, nur weil er mit der Tochter des Chefs ausgeht, bin ich echt empört darüber.
Wenn ich sehe, dass jemand ein geparktes Auto anfährt und dann schnell wegfährt, ziehe ich es ernsthaft in Erwägung, ihnen nachzufahren und verhaften zu lassen.
Wenn ich das Gefühl habe, dass jemand auf unethische Art tonnenweise Geld scheffelt, denke ich mir meinen Teil dazu und wünschte, ich könnte daran etwas ändern.
Ich denke, es ist falsch, wenn sich jemand in der Warteschlange einfach vordrängelt; es ist falsch, wenn sich jemand einem System widersetzt; es ist falsch, wenn Systeme nicht tun, was sie tun sollten, und so weiter und so fort.
Allmählich lerne ich, meine starken emotionalen Reaktionen auf all diese Dinge zu verstehen, sodass ich all den Gefühlen und Gedanken standhalten kann, die mich außer Kontrolle geraten lassen. Und wenn du auch dazu bereit bist, kann dieser Beitrag sehr hilfreich für dich sein.
Unsere natürliche Reaktion auf Ungerechtigkeit
Obwohl wir alle in unserer Kindheit gelernt haben, was fair und unfair ist, haben Wissenschaftler bewiesen, dass wir darüber eine festverdrahtete Logik besitzen.
Diverse Studien haben gezeigt, dass die Belohnungszentren unseres Gehirns dann aktiviert werden, wenn wir Fairness erkennen, auch wenn sie auf jemand anderen bezogen ist. Wenn wir allerdings Zeuge von Ungerechtigkeit werden, löst es unsere Amygdala aus, unseren primitiven Teil des Gehirns, der Angst und Wut kontrolliert.
Wenn wir uns also ungerecht behandelt fühlen, erfahren wir die sogenannte „Kampf-oder-Flucht-Reaktion“, wodurch ein Gefühl der Aufregung entsteht.
Psychologen deuten daher darauf hin, dass man bei einem Kampf um Fairness für jemand anderes eigentlich auch im Eigeninteresse handelt; wir erkennen, dass es so seine Vorteile hat, fair zu sein.
Egal, wie man es auch dreht und wendet, sobald wir Ungerechtigkeit wahrnehmen, empfinden wir umgehend eine starke Reaktion – körperlich und geistig – die unser rationales Denken und unsere proaktive Reaktion vollkommen überrollt.
Wie man am besten mit Ungerechtigkeit umgeht
All diejenigen, die sich von Ungerechtigkeit nichts anmerken lassen, sind jedoch kein Stück besser als andere.
Sie sind nicht unbedingt Leute, die noch nie Ungerechtigkeit oder Ungleichheit erfahren haben; aber nehmen auch nicht einfach die Tatsache hin, dass es einem wiederfährt.
Alle, die gut mit Ungerechtigkeit umgehen können, haben vor allem eines gemeinsam:
- Sie fangen ihre emotionale Reaktion, bevor es zu obsessive Denken führt
- Sie erkennen den Unterschied zwischen dem, was kontrolliert werden kann und was nicht
- Sie denken rational bevor sie handeln
Das Leben ist nicht immer fair
Jeden Tag aufs Neue erfahren wir in unserem oder dem Leben unserer Liebsten Ungerechtigkeit, egal wie klein oder groß sie auch sein mögen.
Du könntest zum Beispiel herausfinden, dass du weniger als jemand anders verdienst, der den gleichen Job macht.
Jemand anders könnte an deiner Stelle befördert werden, obwohl er weitaus weniger qualifiziert ist.
Du könntest einen Gerichtsfall verlieren, obwohl jemand anderes offensichtlich im Unrecht war.
Du könntest herausfinden, dass ein Freund von dir all seine Ersparnisse verliert, weil sein Buchhalter falsche Kalkulationen angestellt hat.
Du könntest herausfinden, dass derjenige, der versprochen hat, sich um deine Mutter zu kümmern, die Situation ausnutzte.
Du könntest mitbekommen, dass deine Schwester wegen Kredithaien ihr Haus verliert.
Und das spricht noch nicht einmal all die Ungerechtigkeiten an, die täglich auf der ganzen Welt passieren, weit außerhalb des Rahmens unserer alltäglichen Erfahrung.
Das Leben ist nicht immer fair. Egal, ob zur Selbsterhaltung, dem menschlicher Anstand oder einer Kombination aus Beidem, wir wollen das ändern.
In einigen Fällen können wir das sogar, denn ganz machtlos sind wir ja nun auch nicht. Außerdem müssen wir noch lange nicht jede Ungerechtigkeit als unvermeidlichen Teil des Lebens akzeptieren.
Was wir jedoch akzeptieren müssen, ist unsere Reaktion auf diese wahrgenommenen Ungerechtigkeiten, da sie uns davon abhält, Dinge berichtigen zu können.
Aufhören, obsessive zu denken
Sich an dem Gedanken der Ungerechtigkeit aufzuhalten, ändert überhaupt nichts. Eher raubt es durch das obsessive Denken eher unsere Energie, festigt unsere Emotionen und konzentriert unsere Gedanken eher auf das Problem, statt eine Lösung.
Das war tatsächlich die größte Herausforderung für mich, da es mir beinahe schon ein befriedigendes Gefühl gab, über Dinge nachzudenken, die falsch erscheinen – als ob das produktiv ist.
Wenn dir das ebenfalls Probleme bereitet, stelle zu Beginn am besten ein gedankliches Stoppschild im Sinne von „das ist kontraproduktiv“ auf. Denke dir bei jeder ungerechten Situation dann immer: „Es ist nunmal so, und ich kann es entweder akzeptieren oder versuchen, es zu ändern.“
Denke rational, bevor du handelst
Um rational denken zu können, müssen wir unsere natürliche Reaktion rechtzeitig erkennen und bewusst wählen, diese Gefühle nicht die Überhand gewinnen zu lassen.
Laut eines Buches dessen Titels ich leider vergessen habe, verwenden wir bei beleidigten und betrogenen Gefühlen unser logisches Gehirn, um eine Reaktion zu rationalisieren. Demnach sagen wir beispielsweise: „Das brachte das Fass echt zum Überlaufen, aber er hat es verdient!“
Wenn wir also unser logisches Gehirn zuerst benutzen, werden wir weniger Dinge tun, die wir später vielleicht bereuen werden.
In einigen Fällen könnten wir sogar erkennen, dass eine ungerechte Situation rational gesehen gar keine so große Sache ist – zum Beispiel wenn sich jemand vordrängelt und dadurch eine rote Ampel missachtet.
Es ist zwar nervig, aber lohnt es sich wirklich, sich während der Autofahrt darüber aufzuregen, die ansonsten recht angenehm sein könnte?
Andere Male werden wir durchaus immer noch stark das Gefühl haben, Gerechtigkeit walten zu lassen. Aber dennoch muss man hier nicht mit Aggression handeln. Wenn es sich tatsächlich um etwas handelt, dass wir kontrollieren können, ist es immer besser, ruhig zu bleiben und sorgfältig zu Planen und zu Handeln. Und das bringt uns dann auch schon zum letzten Schritt:
Was wir kontrollieren und ändern können
Wir können nichts ändern, was in der Vergangenheit passiert ist. Dafür können wir uns mit falschem Umgang beschäftigen, der aktuell auftaucht.
Wir können die Entscheidungen oder das Verhalten eines anderen nicht ändern, sofern sie nicht dazu bereit sind, sich zu ändern. Allerdings können wir unser Verhalten ihnen gegenüber ändern (und einen positiven Einfluss schaffen).
Wir können keine Tragödien aus der Welt schaffen, egal ob in unserem eigenen Leben oder irgendwo anders auf der Welt. Wir können jedoch Ursachen unterstützen, um zukünftige Tragödien zu verhindern, vielleicht sogar eine, die uns selbst betreffen würde.
Und wir können keine spezifischen Ergebnisse für unser Handeln garantieren, doch unsere Chancen klare Geduld und Konsequenz erhöhen.
Es gibt immer mal unfaire Dinge, die wir einfach hinnehmen müssen, und instinktiv könnten wir uns dagegen sträuben wollen, denn wir sind auch nur menschlich, und manchmal nehmen unsere emotionalen Reaktionen einfach die Überhand.
Das wichtigste ist und bleibt, dass wir versuchen, über diesen Dingen zu stehen, sodass die Dinge, die wir nicht kontrollieren können, nicht die Kontrolle über uns übernehmen.