„Ich wünschte, ich könnte alles noch einmal erleben”, sagte meine Oma an ihrem 60. Hochzeitstag.
„Wirklich?”, fragte ich.
Ein kleines Lächeln zierte ihr Gesicht, als sie antwortete: „Ja. Denn wenn du dein Leben genießt—wenn du dein Leben wirklich genießt—geht die Zeit einfach so schnell rum. Ich wünschte, ich könnte noch einmal anfangen und alles nochmal erleben.“
Da saß sie also, meine 80-jährige Oma, die in der langsamen Dämmerung ihrer Jahre rein gar nichts bereut hat.
Und sie erzählte mir auch nicht über Dinge, die sie am liebsten in ihrem Leben getan oder anders gemacht hätte.
Es gab einfach kein könnte, hätte oder wolle.
Sie würde alles genauso wiederholen. Das gleiche Leben mit den gleichen Erlebnissen, noch einmal ganz von vorn.
Ich frage mich, wie viele von uns das wohl im Alter sagen werden?
Ich zum Beispiel hätte es viele Jahre lang nicht behaupten können. Ich lebte ungesund. Ich aß zu viel, trank zu viel und trieb kaum Sport. Ich hasste meinen Job in der öffentlichen Politik, wusste aber nicht, was ich stattdessen machen sollte. Und trotz all meiner Freunde und meiner Familie um mich herum war ich unglücklich.
Kurz vor meinem 28. Geburtstag lebte ich in meinem eigenen “tiefen Mittelalter”, denn danach wachte ich endlich auf. Irgendetwas musste sich ändern—Ich musste mich ändern.
Das war vor drei Jahren.
Seitdem habe ich knapp 90 Kilo und drei Kleidergrößen abgenommen, und halte mein Gewicht.
Und im letzten Jahr habe ich mich nach knapp zehn Jahren in der Politik von dem Job verabschiedet und begann, als freiberuflicher Schriftsteller zu arbeiten. Und meine neue Karriere verlief viel besser, als ich erwartet hatte.
Zu diesem Punkt in meinem Leben gelang ich durch eine Sache: ich lebte jeden Tag einzeln. Ich konzentrierte mich daraf, jeden Tag eine Sache zu tun, die mich meinem gewünschten Ziel ein Stück näher brachte.
Als ich mit dem Abnehmen anfing, begann ich mit dem, was ich bereits kannte—laufen. Als mein Körper sich dann allmählich daran gewöhnte, machte ich mich an meine Ernährung. Danach meldete ich mich für Fitnesskurse an und entschloss mich dazu, mit einem Trainer zu arbeiten.
Ich konzentrierte mich darauf, das zu finden, was am besten zu mir passte. Ich klammerte mich nicht daran, bis zu einem bestimmten Datum eine bestimmte Menge an Gewicht zu verlieren, oder dass ich auf der Waage eine bestimmte Zahl sehen wollte. Mein Traum war es einfach, fit und gesund zu sein.
Und als sich all das allmählich einspielte, entdeckte ich auf einmal auch andere Dinge wie Musik und Kochen, die mir sehr viel Freude bereiteten.
Ich fing an, mich an die Dinge in meinem Leben zu erinnern, die einmal mein Herz lächeln ließen—Dinge, von denen ich dachte, ich hätte sie unter den Trümmern der Selbstverachtung verloren, wie dem Schreiben.
Ich schrieb jeden Tag ohne jegliche Erwartungen, bis mir Monate später in den Sinn kam, dass ich das eigentlich für meinen Lebensunterhalt tun könnte.
Ich hörte eine kleine Stimme in meinem Herzen flüstern, die sagte: „schreibe einfach“, und das tat ich dann auch. Ich schrieb nachts auf meinem Computer und in meinem Tagebuch. Und dann habe ich angefangen zu bloggen. Ich schrieb über mein Leben, aber da ich meine Texte noch nie jemandem gezeigt hatte, wollte ich auch nicht, dass andere sie lesen.
Aber ich schrieb, und ich lebte, und dadurch konnte ich Unglaubliches über mich selbst, mein Leben und die Richtung, die ich gehen wollte, entdecken.
Ich wusste nicht, ob ich meine Träume jemals erreichen würde. Ich wusste nicht, wann ich einmal ankommen würde. Ich wusste nicht, auf wen ich treffen würde, oder wo mich das Ganze hinführen würde.
Ich hörte auf, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wo ich in meinem Leben einmal hinwollte oder ob meine Träume irgendwann einmal in Erfüllung gehen würden.
Ich habe gelernt, mein Leben für das zu genießen, was es in diesem Moment war. Ich fand Frieden in dem, wer ich war, und wo ich war, ohne zu wissen, dass das eigentlich das war, wonach ich schon immer gesucht hatte.
Der Weg, auf dem ich heute stehe, hätte ich mir damals nicht im Traum vorstellen können—doch hier bin ich.
Und auch wenn ich heute meine Träume lebe, entwickeln sich stets Neue.
Diese letzten drei Jahre—und auch noch heute— habe ich viele unerwartete Herausforderungen, Ängste und Unsicherheiten überwunden. Ich bin gestolpert. Ich habe gezweifelt. Ich habe hinterfragt. Aber ich bin stets weitergegangen.
Denn durch all das habe ich gelernt, dass alles ein sich entwickelnder Prozess ist—mein Körper, mein Schreiben, meine Beziehungen, mein Selbst. Ich bin das Meisterwerk meines Lebens, und ich werde nie vollkommen sein.
Ich verfeinere, ich verbessere, und dann lasse ich von dem los, was ich geschaffen habe, um immer und immer wieder von vorne zu beginnen.
Und das tust auch du.
Du bist das Meisterwerk deines Lebens.
Und wenn dir heute nicht gefällt, was du so weit geschaffen hast, ist das vollkommen in Ordnung. Denn so fängt alles an. Du kannst nichts ändern, wenn du nicht weißt, dass du es anders haben willst.
Also, wo immer du im Leben stehst, schließe jetzt deine Augen.
Atme tief ein. Denke daran, dass du lebst. In diesem Moment, nur das. Ein Moment, der nicht für immer anhalten wird.
Stelle dir jetzt vor, einen kleinen Schritt nach vorn zu machen.
Es gibt nur eine Sache, an die du und dein Herz gedacht haben, doch diese Sache redest du dir selbst ständig wieder aus.
Was diese Sache ist, spielt gar keine Rolle. Schreibe einen Brief an einen alten Freund. Gehe ins Fitnesscenter. Vereinbare einen Termin mit einem Berater. Besuche deine Eltern. Geh eine Runde laufen. Bewirb dich für den Job, den du wirklich willst. Steh um 5 Uhr auf, um den Sonnenaufgang zu beobachten. Spiel Klavier. Geh einfach heute diesen Schritt.
Und dann morgen noch einen kleinen Schritt.
Lass los davon zu wissen, wie das Endergebnis aussehen wird. Es reicht bereits, etwas in Bewegung zu setzen.
Lass all die Schritte los, die du ergreifen musst, um deine Träume wahr werden zu lassen. Du kennst die Richtung, das ist mehr als genug.
Vertraue darauf, dass dein Leben immer genau so werden wird, wie es sein muss—auch wenn du dich jetzt umsiehst und sagst: „Das soll wohl ein Witz sein.“
Denn du bist heute genau die Person, die du sein musst, damit du die Person werden kannst, du du morgen sein wirst.
Wo auch immer du dich in diesem Moment befindest, kenne und fühle diese Wahrheit…
Heute bist du perfekt. Heute bist du angemessen. Heute bist du verdienstvoll. Heute bist du geliebt. Genauso wie gestern und morgen.
Also lebe nach deinem Herzen. Sei offen und ehrlich. Sei inspiriert. Sei begeistert. Tu das, was du gerne tust. Lerne weiter. Und immer schön lächeln.
Lebe einen Tag nach dem anderen, und wenn du dann die Dämmerung deines Lebens erreichst, so wie meine Oma, wirst du dir wünschen, alles noch einmal genauso erleben zu können.